Filmkritik

Und manchmal auch andersum

Nimmt man sich die Kleinigkeiten dieses Films zu Herzen, so wird man sich allenfalls die ersten 20 Minuten ansehen und danach zum Alltagsgeschäft übergehen. „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ ist derb, obszön, idiotisch – und gleichzeitig eine gelungene Hommage an die Komik und den Irrsinn des Lebens. Eine Hommage an die Überforderung mit zwischenmenschlichen Dynamiken, die anfangs einfach und dann unüberschaubar werden. Die Titelsequenz, in der im Zeitraffer die Figuren vorgestellt werden, hat eine recht beschwingende Melodie und lässt einen vermuten hier kommt ein Film mit Comedy-Potenzial. Ein Film, der unterhaltsam und grotesk ist – ein Mashup aus Burnout-Ratgeber und dem stillen Aufruf zur Pflicht sich selbst zu kennen und zu mögen – und wenn man es, wie die Hauptfigur nicht kann, wenigstens zu versuchen.

Lina Beckmann mimt die Paartherapeutin namens Luisa, die ihren Kunden vor lauter Bestürztheit über ihre eigene Schieflage in ihrer Ehe gar nicht zuhören kann und lieber in passiv-aggressiver Art ihrem Ehemann Richard vermittelt, dass sie ihn nicht ausstehen kann. Und auf einmal steht da ihre Doppelgängerin – eine kindliche Abspaltung ihrer Persönlichkeit, wie sie später feststellen wird, mit der sie sich anzufreunden anfangs schwertut, bis sie entdeckt, welche Vorteile sie dadurch leben kann.

Zeitgleich hat Luisa eine Affäre mit Richards Chef Leopold, zu dem sie zwar eine intensive körperliche Bindung hat, aber auf Dauer nicht wirklich davon profitiert. Leopold, gespielt von Benno Führmann, ist der fein geleckte Liebhaber, der unbefangen mit der Frau seines Untergebenen schläft und in seinem sexuellen Überdruss völlig vergisst, dass er Teil einer konstruierten Welt ist, in der jeder sich selbst zu verhöhnen scheint. Richard wird gespielt von Charly Hübner, der auch im echten Leben mit Lina Beckmann liiert ist. Die beiden leben eine Schein-Ehe, die vor allem von Luisas Energie lebt, welche sie durch die Affäre bekommt. Mit dem Auftauchen des kindlichen Teils von Luisas Persönlichkeit bricht ein heilloses Chaos an Kränkungen, kleinen Lügen, Misskommunikation und Unfällen aus. Man beginnt eine fast schon peinliche Begeisterung für Luisas Missgeschicke und Zufälle zu empfinden. Beckmann brilliert in einer Doppelrolle, deren Beziehungskonstrukt sie wahrscheinlich mit keinem anderen Schauspieler als ihrem echten Mann authentisch hätte darstellen können.

Als Betrachter schwankt man bei diesem Film konstant zwischen bodenloser Fremdscham und verkrampftem Lachanfall. Immer wenn man denkt, jetzt kann es nicht mehr komischer werden übertrifft sich der Film selbst. Man möchte diesen Film von Lola Randl eigentlich direkt wieder zurückstellen auf einen der vielen Plätze in einem DVD-Regal. Man möchte ihn zur eigenen Sammlung zählen können wie ein Fundstück aus dem Urlaub, aber hervorholen zu einem Filmabend eher nicht. Man könnte diesen Film auch für einen missglückten Versuch halten ein Comedy-Genre aufzugreifen, für eine Idee aus dem Schnittraum, wo ein paar unerfahrene Menschen sich sprachlich und visuell ausgetobt haben. Genauso gut könnte er als deprimierende aber stilistisch geniale Abwandlung einer feministischen Graphic Novel gelten.

Und bei aller Albernheit und Abstrusität des Films muss man Lola Randl Beifall geben – für die mutige Umsetzung einer verrückten Dreiecks-Geschichte, die am Anfang bereits verloren scheint und sich dennoch im Laufe des Films ständig neu erfindet. Es kommt einem vor, als ginge es vielmehr darum, dass man als Zuschauer versteht, wie man sich auf der Spielwiese des Lebens jederzeit verlieren und wieder finden kann, dass in jedem Gefühl ein Stück weit eine Abspaltung von uns selbst steckt und bei allen Schablonen, wie man seine Lebenszeit am besten nutzt, die Frage bleibt: Fühlen Sie sich manchmal auch wach und ausgeruht?